Mittlerweile gab es Wortmeldungen aus dem Kurs dazu wie „Jetzt sag’s doch nochmal, wir bitten dich doch so lieb.“…
Da Herr Ostreidae nicht gewillt schien, auf meine Aussage zu reagieren, spulte ich also nochmal genau das ab, was ich ein paar Minuten zuvor schon geäußert hatte.
Als ich damit fertig war, meinte Luna zu mir: „Das hättest du bei Frau Blümchen nie gebracht.“
Das Verweigern der Antwort meinte sie. Ich stimmte ihr zu. Das hätte ich wirklich nicht bei Frau Blümchen gebracht, nie im Leben. Luna ergänzte dann aber auch: „Das hättest du bei ihr aber auch nie gemusst.“
Was wiederum stimmte. Ich habe so eine Situation noch nie erlebt. Mein Redebeitrag war offensichtlich richtig, zumindest merkte Herr Ostreidae nicht an, dass irgendetwas davon inkorrekt war. Er stellte nur komische Fragen, Fragen von der Art, wo man als Schüler normalerweise gleich den Eindruck hat, dass das Gesagte einen Haken haben muss.
Das Unterrichtsgespräch ging noch ein wenig so weiter, ich wurde nicht mehr drangenommen, selbst wenn ich mich meldete (also dann, wenn meine Mitschüler einfach nicht zum Punkt kamen…). Schließlich gab es eine Aufgabe beziehungsweise mehrer. Die hatte Herr Ostreidae schon einmal raffinierterweise an die Tafel geschrieben und diese dann zugeklappt. Er öffnete sie mit den Worten: „Also, das sind die Fragen, die meiner Meinung nach noch offen geblieben sind…“
Ich las sie mir durch und hob die Augenbrauen. Die ersten beiden der fünf Fragen waren exakt durch meinen Redebeitrag beantwortet worden. Außerdem stießen mir die Rechtschreibfehler sauer auf. Es ist nun keine Hexerei, richtig zu schreiben, oder?
In der Mitte der Tafel notierte er dann die Seiten unseres Philosophiebuches, in denen die Lösung stehen sollte. Fünf Seiten waren es, ich überflog diese rasch und bemerkte, dass ich mindestens drei davon gar nicht zu lesen brauchte, um die Fragen zu beantworten. Eine beschäftigte sich mit Hobbes‘ Biographie, eine halbe mit einem Gedankenexperiment, das wir schon durchgeführt hatten und zwei weitere halbe Seiten beinhalteten Texte, die nicht zum Thema passten. Dann gab es auch noch Bilder. Also reduzierte sich der Arbeitsaufwand schon einmal auf zwei Fünftel.
Herr Ostreidae fragte uns, wie lange wir wohl dafür brauchen würden. Wir behaupteten natürlich erst einmal pauschal bis zum Ende der Stunde. Er guckte uns zweifelnd an und sagte, er würde uns zwanzig Minuten Zeit geben: „Für jede Seite fünf Minuten.“
Öhm, was?! Der Kerl unterrichtet Mathe! Zwanzig durch fünf sind vier und nicht fünf… Aber gut.
Dann wollte er wissen, wie wir denn vorgehen würden, um einen solchen Text zu lesen.
„Also, ich lese von links oben nach rechts unten…“, meinte ich dazu nur, woraufhin Herr Ostreidae meinte: „Abgesehen vom Zusammenziehen der Buchstaben zu sinnvollen Worten…“
Calvin beschrieb seine Technik folgendermaßen: „Also, ich guck‘ mir die wichtigen Wörter an und verstehe den Zusammenhang.“
(Ja, klar, Calvin… Das will ich erstmal sehen 😉 )
„Aha, du bist dann also sowas wie Nummer fünf. Kennt ihr den Film? Nummer Fünf lebt?“
Nein. den kannten wir nicht. Scheinbar geht’s darin um einen Roboter, Nummer Fünf, der sich das Wissen aus Büchern so aneignen kann, indem er sie einfach einmal schnell durchblättert.
Tahmid schoss dann aber den Vogel ab, indem er eine der lehrbuchmäßigen Methoden (alles wichtige rausschreiben etc.) beschrieb und Herr Ostreidae ihn dann fragte, ob er das auch bei diesem Text so machen würde. Tahmid erwiderte: „Nein, ich hab‘ nur geraten.“
Es ist ja offensichtlich, dass Herr Ostreidae auf so etwas abzielte.
Irgendwann fingen wir auch mal an, zu arbeiten. Nach einiger Zeit stand Luna auf und machte einige der offenen Fenster zu. Später auch den Rest. Herr Ostreidae kommentierte das, indem er meinte: „Du bist schuld, wenn wir alle an Grippeviren erkranken.“
(Luna wird wohl auch noch einmal diese Stunde thematisieren, deshalb verzichte ich jetzt mal darauf, näher auf ihre Reaktion auf diesen unqualifizierten Kommentar einzugehen… 😉 )
Irgendwann ging ihm dann auch auf, dass wir einen der von mir schon auf den ersten Blick als überflüssig klassifizierten Texte gar nicht zu lesen brauchten und meinte dann, dass wir für die Seite nur zweieinhalb Minuten bekämen. Ich wies ihn dann auf seinen vorhergehenden Rechenfehler hin. Seine Antwort: „Ja, aber da ist ja auch ein Bild…“ (Nee, echt?)
Irgendwann fingen wir dann auch an, unsere Ergebnisse zu vergleichen. Das schafften wir leider, leider nicht mehr ganz (trotz der geliebten Stoppuhr von Herrn Ostreidae… Traurig.). Wir bekamen dafür eine Hausaufgabe.
„Formulier eine kurze Stellung, warum aus Hobbes Perspektive der Staat nur auf diese Weise funktionieren kann.“
Öhm, okay. Erklärt mir jemand, was eine Stellung in diesem Zusammenhang sein soll? 😉
(Von Frau Blümchen haben wir danach noch die mündlichen Noten bekommen. Ich hab‘ dreizehn 😀 )